Angefangen hat alles mit einem kleinen Knötchen in der Leistengegend. Ich machte mir nicht allzu viele Gedanken. Das ging aber über Monate nicht weg. Bei einem Besuch beim Hausarzt zeigte ich ihm die Stelle, er meinte, es wäre eine Haarwurzelentzündung, die vergeht von allein. Auch meine Frauenärztin war der Meinung, das ist nichts Schlimmes. Ich war mitten in einer Umschulung zur Industriekauffrau, war dadurch abgelenkt und vergaß die harte Stelle...
Zwei Jahre später stellte ich dann fest, dass das Ding größer wird. Ich begann, mir Sorgen zu machen und ging wieder zum Arzt. Er meinte, das sollte dann doch mal abgeklärt werden. Er schickte mich in die Chirurgische Ambulanz. Die wollten das Ding doch tatsächlich in Lokalanästhesie entfernen! Gut, dass ich damit nicht einverstanden war! Ich bekam eine Einweisung ins Krankenhaus. Dort sah man aber auch keine richtige Notwendigkeit einer Operation. Sie gingen davon aus, dass es ein Fadengranulom ist, da es direkt unterhalb meiner Kaiserschnittnarbe liegt. Sie wollten nur operieren, wenn ich darauf bestehe und es Beschwerden macht.
2 Operationen August und November 2008
Nun, ich bestand darauf und es tat inzwischen auch weh. Es hieß, es ist ein kleiner Eingriff, in 2-3 Tagen kann ich heim.
Als ich wieder erwachte, merkte ich sofort, dass das kein kleiner Eingriff war. Der Schnitt war groß. Ich wartete 10 Tage auf das Ergebnis, wurde immer wieder vertröstet. Als dann der Befund endlich kam, wurde mein Mann mit eingeladen. Das erste Mal kam mir der Gedanke, das ist was Ernstes. An das Gespräch mit dem Oberarzt erinnere ich mich nur bruchstückhaft. Ich stand irgendwie neben mir. Der Oberarzt sagte mir, dass es eine sehr seltene Art von Krebs ist. Er gab zu, dass er erstmal googeln musste, da er noch nie mit so etwas zu tun hatte. Der Tumor nennt sich Dermatofibrosarcoma Protuberans. Er wurde zwar komplett entfernt, muss aber nachresektiert werden, da noch Reste in den Wundrändern festgestellt wurden.
Ich musste also im November 2008 ein zweites Mal operiert werden, diesmal im Uniklinikum, da diese mit Mikrochirurgie arbeiten.
3. Operation im August 2009
Im August 2009 stellte ich erneut einen Knoten fest. Fast an derselben Stelle. Ich bin sofort zur Hautärztin hin, die das auch sehr ernst nahm und mich zum Ultraschall schickte. Der Verdacht wurde bestätigt. Ich wollte mir gleich einen Termin im Uniklinikum geben lassen, aber das zog sich endlos hin, die Oberärztin war im Urlaub… Als ich dann endlich bei ihr war, meinte sie, da muss ein MRT gemacht werden, also wieder auf einen Termin warten…
Inzwischen war es Oktober, genau genommen mein 40. Geburtstag, als ich mit gepackter Tasche ins Uniklinikum fuhr und mich in der Notaufnahme vorstellte, mit dem festen Willen, mich nicht abweisen zu lassen. Es dauerte einen gesamten langen Tag, bis ich die Ärzte überzeugt hatte und bleiben durfte. Die Ärzte waren sich wohl nicht sicher, wer zuständig ist. Die Hautklinik meinte, das ist auf keinen Fall ein Rezidiv, die Chirurgie war sich sicher, es ist doch ein Rezidiv. So wurde ich von einer Klinik in die andere geschickt. Zwei Tage später erfolgte die OP, vorher wurde noch ein CT gemacht.
Der Schnitt verlief wieder komplett über den Bauch. Leider lag der Tumor nicht mehr unter der Haut, sondern war weiter nach innen gewachsen, so dass tiefer geschnitten werden musste. Es erfolgte eine Rekonstruktion mittels eines Ultrapro-Netzes.
Nach der OP ließ man mich schmoren. Der Befund kam nicht. Nach über einer Woche sagte man mir früh zur Visite: Morgen können sie nach Hause. Den Befund schicken wir ihrem Hausarzt zu... Ich fragte noch, wie es denn jetzt weiter geht? Nachbehandlung? Lapidarer Kommentar: Eventuell Bestrahlung.
Die Ärzte rauschten ab, ich konnte sehen, wie ich damit klar kam. Den Rest des Tages war ich kaum in der Lage, irgendwas zu tun. Ich habe viel geweint. Wieder zu Hause hab ich mich übers Internet versucht, schlau zu machen. Aber viel fand ich da nicht. Und das, was ich fand, verunsicherte mich total.
Die positive Wende
In dieser Zeit bekam ich sehr viel Hilfe von Menschen, die ich bis dahin nicht kannte. Meine Hautärztin vermittelte mir eine Adresse von einer „mittlerweile Expertin auf dem Gebiet der Sarkome“, mit dieser Mitpatientin bin ich bis heute befreundet. Sie vermittelte mir den Kontakt zum Internetforum Krebskompass, wo ich viele nützliche Informationen bekam. Außerdem empfahl sie mir dringend, mit einem Sarkomzentrum Kontakt aufzunehmen.
Aufgrund meiner Internetrecherchen bestand ich dann darauf, dass das Operationsgebiet bestrahlt werden sollte. Man besprach das in der Uniklinik und kam dann zu der Meinung, dass es nötig wäre. Warum nur muss man das erst als Patient anschieben? Ich dachte immer, die Ärzte haben das Wissen …
Ich telefonierte mit dem nächstgelegenen Sarkomzentrum, schickte alle meine Unterlagen hin und bekam telefonisch die Empfehlung, die Bestrahlung machen zu lassen.
Bestrahlung im November 2009
Die Zeit der Bestrahlung war hart, ich kämpfte mit den Nebenwirkungen, war aber innerlich überzeugt, das Richtige zu tun, um diesen Feind zu bekämpfen.
Nach der Bestrahlung stand für mich fest, dass ich mich nicht weiter vom Uniklinikum behandeln lasse. Ich bekam einen Termin im Sarkomzentrum, von da an erfolgte die Nachbetreuung dort.
Nachsorgetermine im Sarkomzentrum
Den ersten Beratungstermin werde ich nie vergessen. Der Arzt nahm sich über eine Stunde Zeit für mich. Zum ersten Mal bekam ich genau erklärt, mit was für einer Art Tumor ich es zu tun habe. Ausführlich und für mich verständlich erfuhr ich alles über die Behandlungsmöglichkeiten, falls weitere Rezidive auftreten sollten. Gut aufgeklärt und endlich auch mit einem guten Gefühl fuhr ich wieder nach Hause.
Inzwischen sind 10 Jahre vergangen, in denen ich tumorfrei bin.
Vieles hat sich verändert in meinem Leben. Ich habe im August 2015 meinen Mann verloren, leider kam bei ihm die Behandlung viel zu spät. Aber auch diesen Schicksalsschlag habe ich überwunden. Meine beiden Kinder haben das Haus verlassen, mein Sohn studiert Geotechnik/Bergbau und meine Tochter beginnt eine Ausbildung zur Physiotherapeutin.
Ich habe seit ca. 5 Jahren eine sehr sinnvolle Beschäftigung, ich nähe Nesteldecken für demenzkranke Menschen, eine rein ehrenamtliche Sache.
Ich bin berentet und betreue beim DRK eine Seniorengruppe in Form eines Minijobs.
Vergessen werde ich aber nie, dass ein Rezidiv immer möglich ist, auch Jahre später. Deshalb sind die regelmäßigen Kontrollen so wichtig.
Heute frage ich mich: Welchen Sinn hat meine Erkrankung?
Vielleicht diesen: Ich kann heute anderen Patienten helfen, schneller die richtige Behandlung zu bekommen, damit ihnen viel Leid und unsachgemäße Behandlung erspart bleibt. So kann ich dieser Geschichte doch noch eine positive Seite abgewinnen. Ich habe viele Patienten kennen gelernt, uns verbindet eine große Freundschaft.
Und noch ein weiterer Punkt ist – Ja, man kann mit Krebs leben! Wichtig ist, sich mit seiner Erkrankung auseinanderzusetzen denn als kompetenter aufgeklärter Patient haben Ängste keine Chance mehr.
Lenalie, 49 Jahre, Dresden
Diagnose: DFSP seit 2008