Screenshot 2025 01 24 103609„Karin Arndt, Deutsche Sarkom-Stiftung!“  Wenn man bei der Sarkom-Hotline in Deutschland anruft, hört man am ehesten diese Begrüßung. Die Stimme ist klar und freundlich. Dann: Stille. Karin hört sehr genau zu.

Als ehemalige Klarzell-Sarkom-Patientin mit einer komplizierten Vorgeschichte kann sie die Sorgen und die Verzweiflung von Patienten und Betreuern sehr gut nachvollziehen.  Bei ihr begann es mit einer falschen Diagnose, die zu einer Fehldiagnose führte, die wiederum eine - zunächst - falsche Behandlung zur Folge hatte, bevor sie die richtigen Experten fand.  Sieben Operationen, Rezidive und Schmerzen gehörten zu ihrem Leben. Karin weiß: „Man kann nicht klar denken, wenn man gerade erfahren hat, dass man eine sehr seltene, schwer zu behandelnde Krebserkrankung hat und die Prognose scheinbar schlecht ist.
 
Beratung von Patienten und Familien in Not
 
Karin ist seit 2008 ehrenamtliche Patientenfürsprecherin und war in den letzten sieben Jahren die Stimme der deutschen Sarkom-Hotline. Die Zahl der Anrufe, die sie entgegengenommen hat, beläuft sich auf mehrere Tausend.
 
Was sie stört, ist die allzu oft beklagenswerte Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten. „Ich wollte einfach, dass jemand mit mir spricht und mich aufklärt“, erinnert sich Karin aus eigener Erfahrung. Sie will dazu beitragen, dass Sarkom-Patienten besser informiert und versorgt werden, und widmet der Hotline viele Stunden pro Woche, jederzeit, ihre Zeit. „Wenn ein Patient bei uns anruft, braucht er oder sie Hilfe, egal zu welcher Zeit“.
 
Oft handelt es sich bei den Anrufern um verzweifelte Patienten oder Familienangehörige. Karin hilft ihnen bei den nächsten Schritten, z. B. bei der Suche nach einem Sarkom-Experten, bei der Einholung einer zweiten Meinung oder psychologischer Unterstützung, bei der Abgabe einer Patientenerklärung oder bei der Organisation der Pflege - oder sie hört einfach nur zu.  Manchmal sind Patienten nicht in der Lage oder nicht bereit, mit ihren Angehörigen über ihre Krebserkrankung zu sprechen. Die Angehörigen sind vielleicht ängstlich oder trauern. Gelegentlich bitten sogar Ärzte sie um Rat bei der Suche nach Sarkom-Experten.
 
Von der Patientin zur Fürsprecherin: Ein Leben mit Herausforderungen
 
Um ihr eigenes Überleben zu sichern, suchte Karin Arndt 2005 im KA and family Cancer Run DresdenInternet nach einer Publikationüber Weichteilsarkome, kontaktierte die Autoren und beschloss, sich von ihnen behandeln zu lassen, weit weg von zu Hause und ihrer Familie. Seitdem befand sie sich in fachkundiger Behandlung und stand über ein Online-Forum auch mit anderen Patienten in Kontakt.
 
Wenn man auf Karins Leben zurückblickt, wird deutlich, dass sie schon immer jemand war, der es wagt, für die eigenen Rechte und die anderer Menschen einzutreten und sich auf unbekanntes Terrain zu begeben. Geboren in der Deutschen Demokratischen Republik, studierte sie Informatik und sympathisierte mit oppositionellen Kreisen. Obwohl sie aufgrund ihres Engagements für Arbeitnehmerrechte und Reformen mit Arbeitsplatzverlust und Arbeitslosigkeit konfrontiert war, setzte sie ihre Bemühungen fort, doch schließlich wurde ihre Karriere durch die Diagnose eines Klarzellensarkoms unterbrochen.
 
Trotz der anfänglich schlechten Aussichten ist Karin seit 2008 krebsfrei und widmet ihre Energie seither der Patientenunterstützung und dem Einsatz für Patienten. Durch umfangreiche Studien wurde sie selbst zu einer Quasi-Expertin und baute ein umfangreiches Netzwerk von Patienten und Sarkom-Experten auf.
 
Den Stimmen der Patienten Gehör verschaffen
 
Für ihre herausragenden Verdienste wurde Karin Arndt die Ehrenmitgliedschaft des Sarkomzentrums in 2025 03 06 16 16 23 Germanys voice of the sarcoma hotline A life commitment to volunteering SPAGEssen verliehen; hier mit den Sarkom-Spezialisten Prof. Jochen Schütte und Prof. Sebastian Bauer.
 
Kein Wunder, dass die Großmutter von fünf Kindern auch im institutionellen Bereich der Krebsfachwelt aktiv ist. Sie ist der festen Überzeugung, dass die Stimmen der Patienten von Entscheidungsträgern und Ärzten gehört werden müssen, insbesondere bei seltenen Krebsarten wie dem Sarkom.
 
Rückblickend auf 15 Jahre Patientenvertretung in Deutschland hebt Karin die folgenden Meilensteine bei der Verbesserung der Sarkomdiagnose und -versorgung hervor:
 
  • Seit 2010 ist die jährlich stattfindende Deutsche Sarkomkonferenz eine wichtige Plattform für Fachleute, um Wissen auszutauschen, voneinander zu lernen, Ideen zu entwickeln und Maßnahmen zu diskutieren. Außerdem bietet sie die Gelegenheit, jüngere Ärzte für dieses Gebiet der seltenen Krebserkrankungen zu begeistern.
  • Im Jahr 2018 wurde das erste Sarkomzentrum von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert. Heute gibt es 21 zertifizierte Sarkomzentren in Deutschland, und verbindliche Behandlungsleitlinien für Weichteilsarkome wurden von Patientenvertretern mitentwickelt und verabschiedet. Dies erhöht die Chancen für eine bessere Diagnostik, eine bessere Versorgung und letztlich eine bessere Prognose für die Patienten, wobei die Bemühungen um die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Sarkomversorgung weitergehen müssen.
  • Im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs wurde das Sarkom als thematischer Schwerpunkt in der Krebsforschung etabliert. Das bedeutet, dass Mittel für die Sarkomforschung beantragt werden können, wobei die Patienten von Anfang an in die Gestaltung der Forschungsfragen und des Forschungsdesigns einbezogen werden.
 
Karin Arndt betont, dass es notwendig ist, mehr Fortschritte bei der Erreichung der ersten Kontaktpersonen im Gesundheitswesen, wie Hausärzte und Ärzte verschiedener Fachrichtungen, zu erzielen, die Sarkomfälle nur selten sehen und daher möglicherweise nicht als Option in Betracht ziehen. Schließlich machen Sarkome nur 1-2 % der bösartigen Tumore bei Erwachsenen aus. Dennoch ist die erste Kontaktaufnahme entscheidend für den Weg zur richtigen Diagnose.
 
Menschen zu helfen, ist ihre größte Belohnung
 
Es ist eine ehrenamtliche Tätigkeit, die viel Zeit und Energie erfordert, zumal sie selbst mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat. Was Karin antreibt, ist die Gewissheit, dass sie für jeden, der die Hotline kontaktiert, etwas bewirken kann. Und das wird oft mit einer großen Dankbarkeit belohnt.
 
Was ist die Kehrseite der Medaille? „Die Zeit, die ich für andere Menschen aufbringe, habe ich nicht für meine eigene Familie zur Verfügung. Und das tut manchmal weh.“
 
In diesem Jahr, in dem sie 70 Jahre alt wird, hat Karin beschlossen, die jährlichen Kontrolluntersuchungen nach 20 Jahren einzustellen.
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

 

Biografie:
Karin Arndt ist Vorstandsmitglied der Deutschen Sarkom-Stiftung und Hauptverantwortliche für deren Patienten-Hotline. Außerdem vertritt sie die Patienteninteressen im Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und im Nationalen Tumorzentrum in Dresden. Darüber hinaus nimmt sie an wissenschaftlichen Studien teil, um die Patientenperspektive einzubringen.
 
Bildnachweis:  Porträt-Cover von Uli Deck, andere Fotos wurden von Karin Arndt zur Verfügung gestellt.
 
Quelle: Blogartikel "Voices of Sarcoma" auf www.sarcoma-patients.org
Gabi Ott ist ehrenamtliche SPAGN-Mitarbeiterin und Chefredakteurin von Voices of Sarcoma.