Die Behandlung von Desmoiden wird sehr kontrovers diskutiert. Die empfohlenen Behandlungsmethoden variieren stark. Dementsprechend ist es für den Patienten essentiell, sich zu informieren und für seine Be-handlung weitere Meinungen und Empfehlungen einzuholen.
Behandlungsmethoden:
Operationen
In der Regel gilt, dass kleine Desmoide, die gut operabel sind, operiert werden. Besonders, wenn es sich um das erste Auftreten des Tumors handelt. Gut operabel heißt hier, dass die Aussicht besteht, dass der Tumor komplett entfernt werden kann und dass durch die Operation keine zu großen funktionellen oder ästhetischen Schäden entstehen. Es gibt Des-moide, bei denen eine Operation zwar möglich ist, es aber fraglich bleibt, ob dabei ein, was die Funktion und das Aussehen betrifft, akzeptables Ergebnis erreichbar ist.
Im Gegensatz zu Krebserkrankungen, bei denen "um jeden Preis" operiert wird, ist bei Desmoiden das Ziel der Behandlung meist eine möglichst gute Erhaltung der Funktion der betroffenen Muskeln. Daher kann es sinnvoll sein, in dieser Situation nicht zu operieren, sondern eine andere Behandlung durchzuführen. Große Operationen oder gar Amputatio-nen werden also nur in Ausnahmefällen und nicht als erste Option durchgeführt.
Auch Rezidive (wiederaufgetretene Tumore) können operiert werden, man wägt bei ihnen aber genauer ab, weil eine zweite Operation immer schwieriger ist als die erste. Bei Grenzfällen kann die Einschätzung, ob ein Tumor operabel ist oder nicht, von Arzt zu Arzt unterschiedlich ausfallen. In diesen Fällen sollte der Patient mitentscheiden, welche Faktoren und Möglichkeiten für ihn am wichtigsten sind.
Es gibt die Möglichkeit, Desmoide nach einer Operation zu bestrahlen, um das Risiko für ein Rezidiv zu senken. Wenn nach einer Operation noch ein mikroskopischer Tumorrest im Körper verblieben ist, wird dieser in den meisten Fällen nachbestrahlt. Es herrscht in der Forschung aber keine Einigkeit, ob diese Bestrahlung wirklich einen Vorteil bringt. Genaueres hierzu siehe unten. Ca. ¾ aller Desmoidpatienten werden derzeit operiert, bzw. die Ope-ration ist Teil ihrer Behandlung. Die Tendenz ist eher abnehmend, da in letzter Zeit die verschiedenen anderen Behandlungsformen besser erforscht und breiter eingesetzt werden.
Ziel: Der große Vorteil der Operation ist, dass sie die Möglichkeit bietet, den Tumor vollständig zu entfernen. Da Desmoide keine Metastasen (Tochtergeschwülste) bilden, kann durch eine Operation bei einigen Patienten eine vollständige Heilung vom Tumor erreicht werden. Dieses Ziel wird bei ca. 60% der operierten Patienten nach der ersten Operation erreicht.
Ablauf: Eine Operation sollte gut geplant sein. Wenn Sie zusammen mit Ihrem Arzt besprochen haben, dass bei Ihnen eine Operation durchgeführt werden soll, wird das genaue Vorgehen geplant. Es werden radiologische Bilder (MRT, CT) angefertigt, um genau zu bestimmen, wo operiert werden soll. Hierbei werden einige Besonderheiten der Desmoide wichtig, die im folgenden näher erklären werden:
Sicherheitsabstand
Bei einer Operation wird der gesamte Tumor entfernt. Wichtig hierbei ist, dass um den Tumor herum zusätzlich ein Sicherheitsabstand eingehalten wird. Das bedeutet, dass eine Schicht gesunden Gewebes, das um den Tumor herum liegt, bei der Operation mitentfernt werden muss.
Das hat folgenden Grund: Desmoide wachsen infiltrierend in das umliegende Gewebe. Im Unterschied zu anderen gutartigen Tumoren besitzen sie keine Kapsel, die sie umgibt. Deshalb werden sie manchmal auch als semimaligne bezeichnet (‚halb-bösartig’). Wenn sie wachsen verdrängen sie also nicht, wie gutartige Tumoren, das gesunde Gewebe um sie herum, sondern bilden an ihren Rändern kleine Ausläufer, die zwischen die umliegenden Muskelzellen (oder anderes Gewebe) einwachsen. Diese kleinen ‚Fühler’ ,wie sie auch genannt werden, kann man mit bloßem Auge (bei der Operation) nicht sehen. Und auch durch die bildgebenden Untersuchungen (MRT, CT), die vor einer Operation gemacht werden, kann der Arzt nicht sehen, wie weit diese ‚Fühler’ in das gesunde Gewebe vordringen. Deshalb versucht man, durch den Sicherheitsab- stand möglichst alle dieser ‚Fühler’ mit zu entfernen. Man spricht im Idealfall von einem Abstand von 2cm zum Tumor. Häufig wird dieser Abstand aber kleiner gehalten, um nicht zu viel gesundes Gewebe bzw. wichtige Nerven oder andere wichtige Strukturen zu zerstören.
Resektionsrand R0, R1, R2*
Nach der Operation wird der Desmoid zum Pathologen geschickt. Dieser schaut sich den Tumor unter dem Mikroskop an und kann so beurteilen, ob der Desmoid ‚im Gesunden’ entfernt wurde, d.h. ob sich noch ein Rest Tumor im Körper befindet oder ob der Tumor vollständig entfernt wurde. Dazu schaut er nach, ob das Tumorgewebe (und auch die ‚Fühler’) bis an den Rand des Präparates reichen oder ob sich am Rand ausschließlich gesundes Gewebe befindet.
Danach wird eingeteilt:
R0 – der Rand des Präparates ist tumorfrei, d.h. es befindet sich gesundes Gewebe zwischen dem Tumor und der Schnittlinie des Operateurs. Der Tumor wurde also vollständig entfernt.
R1 – unter dem Mikroskop reicht der Tumor bis an den Rand des herausgenommenen Gewebes heran. Es sind also mikroskopisch kleine Reste des Tumors, dh. einige Tumorzellen im Körper verblieben.
R2 – es ist ein ‚makroskopisch’ (also mit bloßem Auge) sichtbarer Tumorrest im Körper geblieben. Das kann der Arzt meist schon während der Operation sehen.
(*‚R’ steht für ‚Resektionsrand’, also für den Zustand des Randes des herausgenommenen Tumors.)
Für die Behandlung gilt:
Man strebt bei Operationen immer eine R0-Resektion an. Wenn von vornherein feststeht, dass der Tumor wahrscheinlich nicht ‚im Gesunden’ entfernbar ist, sollte man die Operation gut überdenken und nur in Ausnahmefällen durchführen. (In seltenen Fällen kann es sinnvoll sein, den Sicherheitsabstand knapp zu halten, um gesundes Gewebe zu schonen, und dafür eine R1-Resektion in Kauf zu nehmen.)
Wenn sich auf der anderen Seite nach einer Operation herausstellt, dass eine R1-Resektion besteht, gibt es die Möglichkeit einer Nachbehandlung. Man kann den mikroskopischen Rest nach der OP bestrahlen oder nachresezieren (noch einmal operieren, mit dem Ziel, den Tumorrest zu entfernen). Es ist aber bisher unklar, ob diese Nachbehandlung für den Verlauf der Erkrankung wirklich einen Vorteil bringt. Es ist also eine sehr individuelle Entscheidung, die Sie gemeinsam mit Ihrem Arzt treffen müssen.
Eine R2-Resektion (also eine Operation, bei der nur Teile des Tumors entfernt werden) zeigt allerdings eindeutig einen schlechteren Verlauf. Man sollte deshalb eine Operation nicht von vornherein als R2-Resektion planen. Es kann aber passieren, dass eine Operation sich als komplizierter erweist, als vorher angenommen. Dann kann als Ergebnis eine R2-Resektion entstehen. Diese sollte dann in den meisten Fällen weiter behandelt werden.
Problem:
Die Operation bringt vor allem zwei Probleme mit sich: Die Zerstörung von gesundem Gewebe und das Rezidivrisiko.
Zerstörung von gesundem Gewebe
Bei einer Operation wird immer gesundes Gewebe mitentfernt. Je nach Größe und Lage des Tumors kann das zu unterschiedlich stark ausgeprägten Folgeschäden führen, die schließlich auch die Durchführbarkeit der Operation begrenzen können. Fast immer muss Muskelgewebe mitentfernt werden, da Desmoide meist an Muskelgewebe entstehen. Je nach Ausdehnung des Tumors können dies kleine Teile von Muskeln bis hin zu ganzen Muskeln oder Muskelgruppen sein. Die Folge ist eine Einschränkung der Bewegungsfähigkeit. Operationen bei Desmoiden, die sich in den Bauchmuskeln befinden, können später manchmal zu einer Instabilität der Bauchwand führen. Dies kann Probleme beim schweren Heben oder z.B. bei Schwangerschaften verursachen.
Auch Nerven können bei einer Operation geschädigt werden. Sie führen dann ebenfalls zu Ausfällen der Muskeln, die von ihnen versorgt werden oder zu Gefühlsstörungen wie z.B. Ausfällen der Sensibilität. (Bei Desmoiden im Hals- / Schulterbereich kann in diesem Zusammenhang der sogenannte ‚Plexus’ wichtig werden. Dabei handelt es sich um ein Nervengeflecht nahe der Wirbelsäule in diesem Bereich, aus dem die Nerven für Bewegung und Gefühl der Arme hervorgehen. Manche Desmoide wachsen sehr nahe an ihn heran, was die Operation schwierig bis unmöglich machen kann.)
Neben diesen kann die Operation, je nach Lage des Tumors, auch andere Strukturen im Körper betreffen, z.B. Blutgefäße, Knochen, Lunge, Darm (bei intraab-dominellen Desmoiden). Außerdem kann diese Zerstörung von gesundem Gewebe auch ästhetische Probleme mit sich bringen. Sie sollten also in jedem Fall vor der Operation mit Ihrem Arzt über das Ausmaß der Einschränkungen und Möglichkeiten des Umgangs damit sprechen (Krankengymnastik, wiederherstellende Chirurgie, psychologische Unterstützung, Kontakt zu anderen Betroffenen etc.)
Rezidivrisiko
Wie bei den anderen Behandlungsmethoden auch, kann der Desmoid nach der Operation wieder zu wachsen beginnen. (‚Rezidiv’ bezeichnet den wieder aufgetretenen Tumor). Das heißt, die Operation bietet die Möglichkeit, den Tumor zu entfernen, ist aber keine Garantie dafür, dass man ihn für immer los ist . Desmoide haben ein hohes Rezidivrisiko. Für operierte Desmoide liegt es bei ungefähr 40%. Von 100 operierten Patienten bekommen also ca. 40 ein Rezidiv. (In ungefähr 40%. Von 100 operierten Patienten bekommen also ca. 40 ein Rezidiv. (In verschiedenen Studien werden allerdings sehr unterschiedliche Zahlen hierzu genannt. So variieren die Angaben zwischen 25% - 60%. Dies ist wahrscheinlich Folge der kleinen Patientenzahlen in den Studien, durch die sich große Unterschiede ergeben können.) Diese Prozentangaben sind allgemeine Angaben und beziehen sich auf die Gesamtheit der operierten Desmoide. Viele Studien beschäftigen sich damit, welche Faktoren Einfluss haben auf das Rezidivrisiko. Es ist aber schwierig, eindeutige Aussagen zu treffen.
Als mögliche Faktoren gelten:
Resektionsrand – wie oben schon beschrieben, finden manche Studien, dass ein tumorfreier Resektionsrand (R0) zu einem geringeren Rezidivrisiko führt als wenn der Tumor bis zum Schnittrand heranreicht (R1). Dies ist aber nicht in allen Studien der Fall. Rezidiv – Patienten mit Ersterkrankung haben ein geringeres Risiko, ein Rezidiv zu bekommen, als solche Patienten, die bereits ein Rezidiv hatten Alter – je älter der Patient desto geringer scheint das Rezidivrisiko Lokalisation – Desmoide am Körperstamm haben ein geringeres Rezidivrisiko als Desmoide an Extremitäten, Schulter und Becken. Desmoide, die innerhalb des Bauchraums liegen, haben das größte Rezidivrisiko. Größe des Tumors – große Tumoren kommen eher wieder als kleine Tumoren.
Wie gesagt, es handelt sich hier um Tendenzen, an denen man sich orientieren kann und nicht um sicher bewiesene Fakten. Nicht alle Autoren finden die gleichen Zusammenhänge. Die meisten Rezidive entstehen in den ersten 2-3 Jahren nach der Operation aber auch viele Jahre nach der Operation kann in seltenen Fällen ein Rezidiv entstehen. Es ist deshalb wichtig, auch nach Jahren die Nachsorgetermine wahrzunehmen, um Rezidive frühzeitig entdecken zu können.